Nancy Jahns

PASSAGEN

aus dem Text zur Ausstellung PASSAGEN Nancy Jahns – Volker Renner
TAKE|MARAKE Kiel, 2012

Dr. Maren Welsch, Schleswig-Holsteinischer Kunstverein

(…) Der beobachtende wie beiläufige Blick des Flaneurs, wie ihn Benjamin beschrieben hat, lässt sich – wenngleich in unterschiedlicher Ausformung – auch in den hier vorgestellten Arbeiten festmachen.
Das umfangreiche Werk von Nancy Jahns umfasst Objekte, Installationen und analoge Fotografie, mit der die Künstlerin hier vorgestellt wird. Die meisten Bilder sind Momentaufnahmen, manche lassen an Film Stills denken, die man aus ihrem Kontext gelöst hat. Häufig geben die als Serien zusammen gestellten Bilder Landschaften wieder oder halten Menschen in alltäglichen oder beiläufigen Situationen fest. Auffällig ist, dass die Aufnahmen große Ruhe ausstrahlen, und dies, obwohl in den Bildern vieles in Bewegung ist: Die Menschen, die Wolken, Licht und Schatten (…) Dabei hält die Kamera Abstand, bleibt diskret und distanziert. Manchmal wirkt die Kameraführung geradezu irritierend: Ob das Zusammenspiel von Mensch und Umgebung oder das gleichwertige Nebeneinander der Dinge – nichts wird betont und in den Vordergrund gerückt. Der sorgsam gewählte Bildausschnitt verleiht den Fotografien malerische Qualität: Helle und dunkle Partien lassen sich mit den Augen durchwandern und Umrisse und Linien auch als abstrakte Formen wahrnehmen, die in ausgewogenes Ganzes wiedergeben. Getragen von der besonderen Bildstimmung erscheint auch das Unspektakuläre als bildwürdig. Überraschend sind dabei die Perspektive und der Bildausschnitt. Ganz und gar subjektiv und manchmal geradezu konträr zu unseren Sehgewohnheiten, fordern sie Offenheit und Toleranz ein.
Der Betrachter bleibt dennoch außen vor: Trotz der betont sachlichen Kameraführung erfahren wir nichts über die dargestellten Personen und ihre Beweggründe. Nancy Jahns enthält sich jeglicher Wertung, wie auch bei der Serie Ein Spiel. Die 16teilige Arbeit zeigt alte, zerschlissene Tischtennisschläger vor dem jeweils gleichen neutralen, weißen Hintergrund. Die Fotografien machen deutlich, dass die Schläger durch den erfahrenen Zerstörungsprozess sich nun andererseits durch Individualität und morbide Schönheit auszeichnen. Allen Aufnahmen haftet etwas Poetisches an, das uns auch das Alltägliche neu sehen lässt. Die Fotografien von Nancy Jahn zeigen mehr als transzendente, flüchtige Augenblicke. Und sie weisen die Künstlerin als genaue Beobachterin aus, die die Kamera immer dabei hat, um im entscheidenden Moment auf den Auslöser zu drücken. (…)